In den letzten 25 Jahren sind Tiger in Kambodscha, Laos und Vietnam ausgestorben. Auch in Malaysia und Myanmar sind die Zahlen rückläufig. Im Gegensatz zu den erfolgreichen Ländern Indien, Nepal und Russland, wo die Tigerzahlen wieder steigen, leiden die Tiger in Südostasien weiterhin stark unter Bedrohungen wie Wilderei, illegalem Handel mit Tigerteilen und Lebensraumverlust. Ein Hoffnungsschimmer für die Tigerpopulationen in Südostasien ist Thailand, da dort wichtige Faktoren erfüllt sind, die für nachhaltigen Tigerschutz erforderlich sind. Zum einen handelt es sich dabei um die Unterstützung der Regierung, die letzten Lebensräume der Großkatzen und vieler anderer Arten zu schützen und Wilderei und illegalem Artenhandel den Kampf anzusagen. Darüber hinaus müssen finanzielle Mittel bereitgestellt werden, um dieser Verantwortung nachzukommen und zu guter Letzt muss eine enge und gut koordinierte Zusammenarbeit von Umweltschutzorganisationen, Politik, Wissenschaft und vor allem der lokalen Bevölkerung gewährleistet sein.
Bis zur Verdopplung der Tigerzahlen, ein Ziel das 2010 von allen 13 Tigerverbreitungsstaaten gemeinsam festgelegt wurde, ist noch ein weiter Weg zu gehen. Doch selbst wenn das globale „Tx2“ (Tiger mal zwei) - Ziel erreicht wird und tatsächlich wieder 6.400 Tiger durch die Wälder Asiens streifen sollten, wird der Kampf um das Überleben dieser majestätischen Großkatzen weitergehen müssen. Und nicht nur in Asien, sondern weltweit.
Neuigkeiten aus unserem Projektgebiet
Auch in 2021 mussten Veranstaltungen mit zahlreichen Menschen, wie etwa Wildhütertrainings und Aufklärungskampagnen in Schulen und Dörfern, aufgrund der COVID-19-Pandemie in unserem Projektgebiet abgesagt oder verschoben werden. Dennoch konnte der Großteil der geplanten Aktivitäten umgesetzt werden und es gibt positive Entwicklungen zu berichten.
Bereits 2012 begann die Tigerschutzarbeit in den Mae Wong und Khlong Lan Nationalparks. Die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt, wie wichtig es ist, einerseits die Landschaft und damit den Lebensraum der Tiger zu schützen, andererseits auch den Lebensraum für Beutetiere zu verbessern und deren Anzahl zu erhöhen, damit die Tiger Nahrung finden können. Die diesjährigen Maßnahmen zum Tigerschutz in unseren Nationalparks decken daher alle diese wichtigen Faktoren ab.
Erste Auswilderungsaktionen von Sambar-Hirschen
Im Mittelpunkt der Aktivitäten in diesem Jahr stand die Freilassung der ersten Sambar (größere Hirsche) aus geschützten Gehegen in ihren natürlichen Lebensraum - die Wälder der Nationalparks. In den vergangenen Jahren kam es aufgrund kommerzieller Wilderei, bei der vor allem Sambar und Bantengs (Wildrinder) als „Bush Meat“ an lokale Restaurants verkauft wurden, zu einem starken Rückgang der Beutetierzahlen für Tiger. Dieser starke Rückgang hat dramatische Folgen für die Tiger und zeigt sich in geringen Fortpflanzungsraten und einer geringen Überlebensrate von jagdunerfahrenen Jungtieren. Neben dem vermehrten Schutz der Beutetiere vor Wilderern durch unsere Wildhüter ist daher auch eine gezielte Erhöhung der Beutetierzahlen erforderlich. Dazu wird eine geschützte Vermehrung der Tiere in gesicherten Gehegen gefördert und die Tiere werden anschließend in die Wälder entlassen.
Insgesamt 32 Sambar wurden im Juli und August von einem Team aus Wildhütern und Tierärzten für ihre Freilassung in die Wälder des Mae Wong Nationalparks vorbereitet. 12 von ihnen wurden dazu mit Ortungshalsbändern ausgestattet, damit ihre Aufenthaltsorte und ihr Bewegungsradius erfasst werden kann. Um die Umsiedlung der Tiere von ihrem Gehege in die Wälder möglichst stressfrei zu gestalten, fanden der Transport und die Freilassung in ihre neue Heimat nachts statt. Bis sich die Tiere an das neue Territorium gewöhnt haben werden sie zudem noch weiter gefüttert. Alle Sambar haben die Umsiedlung gut überstanden und werden nun mittels Kamerafallen und der Ortungshalsbänder beobachtet. Dieser ersten Auswilderungsaktion, die einen Meilenstein im nachhaltigen Tigerschutz in Thailand darstellt, werden in den kommenden Jahren noch zahlreiche weitere Auswilderungen folgen. Geplant ist die Freilassung von insgesamt etwa 200 Sambar - eine Zahl, die sowohl eine größere Reproduktions- und Überlebensrate der Tiger sicherstellen wird und die zudem auch ausreichend ist, um die Zahl der Sambar selbst stabil zu halten.
Auswilderung von Sambar in ihre natürliche Heimat – die Nationalparks (© alle Bilder DNP & WWF Thailand)
Im Vorfeld dieser ersten Auswilderungsaktion haben auch in diesem Jahr umfassende Maßnahmen zur Lebensraumverbesserung in den Nationalparks stattgefunden – eine Aufgabe, die bereits in den vergangenen Jahren begonnen wurde und kontinuierlich ausgebaut wird. Von den in den Mae Wong und Khlong Lan Nationalparks insgesamt geplanten 9 Graslandschaften wurden bisher in zwei größeren Arealen Graslandschaften geschaffen und insgesamt 6 Salz- und Mineralleckstellen errichtet, die in diesem Jahr weiter vergrößert und instand gehalten wurden. Salz- und Mineralleckstellen sind für die Gesundheit von Huftieren wichtig, da sie viele Nährstoffe liefern und wesentlich dazu beitragen, dass die Tiere optimale Lebensbedingungen vorfinden.
Die Maßnahmen zur Verbesserung des Lebensraumes zeigen bereits Erfolge: mittels Kamerafallen konnten neben den Sambar auch Wildschweine, Muntjak (kleine Hirsche), Gaur (der größte lebende Vertreter der Rinder) und Elefanten gesichtet werden, die die Graslandschaften und Salz- und Mineralleckstellen regelmäßig besuchen.
Sambar und Wildschweine besuchen Salz- und Mineralleckstellen (© alle Bilder DNP & WWF Thailand)
Bericht der Wildhüter: neue Tiger in Mae Wong
In den Mae Wong und Khlong Lan Nationalparks fand in diesem Jahr zum sechsten Mal, in Khlong Wang Chao und dem Umphang Schutzgebiet zum zweiten Mal eine Auswertung der Kamerafallenbilder und Tigerzählung statt. Vor Beginn der Feldarbeit nahmen insgesamt 130 Wildhüter an Trainings teil, in denen ihnen fortgeschrittene Techniken zur Auswertung von Kamerafallenbildern vermittelt wurden.
Über einen Zeitraum von 9 Monaten wurden die Kamerafallenbilder an insgesamt 164 Überwachungsstationen ausgewertet, die auf dem 4,500 km² großen Gelände installiert waren. Die Ergebnisse zeigen, dass die Tigerpopulation weiterhin stabil ist und keine Tiere Wilderern zum Opfer gefallen sind. Dieser Erfolg ist auf die kontinuierliche Präsenz der 200 Wildhüter zurückzuführen, die im vergangenen Jahr bei ihren Patrouillen insgesamt mehr als 22,000 km zurückgelegt und dabei nahezu 70% der Gesamtfläche abgedeckt haben.
Zudem zeigen die Auswertungen unter anderem drei Tiger, zwei weibliche und ein männliches Tier, die aus dem benachbarten Hua Kha Khaeng Naturschutzgebiet abgewandert sind. Auf eines der weiblichen Tiere wurden die Wildhüter aufmerksam, da sie bei einer Patrouille Anfang Mai den Kadaver eines Sambar-Hirsches fanden, der an die 100 Meter weit durch das Dickicht geschleift worden war - ein Vorgehen, das die Wildhüter schnell auf einen Tiger schließen ließ. Um ihren Verdacht zu bestätigen, installierten die Wildhüter in der Nähe des toten Tieres eine Kamerafalle – und warteten. Zwei Tage später werteten die Wildhüter die Videoaufnahmen der Kamerafalle aus und konnten darauf tatsächlich einen Tiger sehen. Um das Tier zu identifizieren und zu prüfen, ob es sich um ein bereits bekanntes Tier handelt, wurden die Bilder mit der Datenbank der Khao Nang Ram Wildlife Research Station abgeglichen. Dazu verglichen die Wildhüter die Aufnahmen mit denen bekannter Tiere. Die Streifen der Tiger sind so individuell wie ein menschlicher Fingerabdruck – so können Tiger zweifelsfrei identifiziert werden. Das Ergebnis: Es handelt sich um ein im Mae Wong Nationalpark bisher unbekanntes Tiger-Weibchen, das aus dem Huai Kha Khaeng Naturschutzgebiet in den Mae Wong Nationalpark eingewandert war.
„Die Tatsache, dass ein Tiger aus einem anderen Gebiet eingewandert ist, ist ein Beweis dafür, dass der Mae Wong Nationalpark reich an Biodiversität und damit das Land der Hoffnung für den Erhalt des Tigers in dieser Region ist.“ Zitat von Neramit Songsaeng, Leiter des Mae Wong Nationalparks.
Kamerafallenbilder: Tiger (Reihe 1; das zugewanderte weibliche Tier ist oben links zu sehen), Leopard und Pavian (Reihe 2), Pfau und Elefant (Reihe 3). Alle Aufnahmen wurden 2021 in den Nationalparks aufgenommen. (© DNP & WWF Thailand)
Die Tatsache, dass bereits mehrere Tiger aus benachbarten Gebieten zugewandert sind, ist ein positives Zeichen und Grund zur Freude. Tiger verlassen ihr Heimatgebiet oftmals, wenn die Anzahl der dort lebenden Tiger zu groß wird. Die Zuwanderung der drei Tiere aus dem benachbarten Hua Kha Khaeng Schutzgebiet ist ein Indikator dafür, dass dort die Anzahl an Tigern weiterhin steigt - die letzte Zählung hatte bereits einen Anstieg von 46 auf 71 Tiere ergeben. Die neuen Bewohner im Mae Wong Nationalpark wiederum werden zu einem Ansteigen der Tigerpopulation in ihrer neuen Heimat beitragen. Dieses Beispiel zeigt zudem, wie wichtig es ist, Korridore zwischen verschiedenen Tigerlebensräumen aufrechtzuerhalten. Nur so können Tiere bei einer Zunahme der Population in ihrem Gebiet in angrenzende Regionen abwandern und nur so kann ein genetischer Austausch zwischen den Gruppen stattfinden.
Wildhütertraining (Reihe 1 und 2); Wildererstand zum Abschießen von Wildtieren und Vogelfalle (Reihe 3) (© alle Bilder DNP & WWF Thailand)
Bau und Instandhaltung von Wildhüterstationen
Damit die Wildhüter immer größere Bereiche der Nationalparks bei ihren Patrouillen abdecken können, muss ein Netzwerk an Wildhüterstationen aufgebaut und in Stand gehalten werden. Neben dem Bau eines neuen „Tiger Conservation Centers“ (Tigerschutzzentrums) in Umphang, das sowohl für die Auswertung von Kamerafallenbildern und die Verarbeitung der Daten als auch zur Durchführung von Aufklärungsmaßnahmen dringend benötigt wird, mussten in diesem Jahr auch einige bereits bestehende Stationen renoviert werden. Neben der Pang Khao San Ranger Station, die schon vor 30 Jahren bei der Gründung des Mae Wong Nationalparks gebaut wurde, wurden auch Renovierungsarbeiten an den Smart Patrol Zentren in Umphang und Khlong Lan durchgeführt. Die Wildhüterstationen bieten nicht nur Übernachtungsmöglichkeiten sondern sind in manchen Fällen auch mit großen Landkarten und technischem Equipment ausgestattet, so dass die Wildhüterteams sich abstimmen und optimal zusammenarbeiten können.
Renovierungsarbeiten: Pang Khao San Wildhüterstation (Reihe 1) und Smart Patrol Center in Umphang (Reihe 2) (© alle Bilder DNP & WWF Thailand)
Aufklärungsarbeiten in Dörfern und Schulen: Das Tiger Lernzentrum als Vorbild zukünftigen Lernens
Im Rahmen der regelmäßig stattfindenden Aktivitäten zur Sensibilisierung der lokalen Bevölkerung in Sachen Tiger- und Artenschutz wurden auch in diesem Jahr mehrere an die Nationalparks angrenzende Schulen und Dörfer besucht. Insgesamt nahmen 600 Schüler der Ban Plang See und Anuban Khlong Lan Schulen sowie 200 Dorfbewohner des Hmong Flohmarktes an den Veranstaltungen teil.
Aufklärungsarbeit in Schulen und Dörfern (alle Bilder © DNP & WWF Thailand)
Das Tiger Lernzentrum, das im vergangenen Jahr ins Leben gerufen wurde, um Schülern und auch Dorfbewohnern die Möglichkeit zu geben, alles über Tiger und weitere Wildtiere in ihren Heimatwäldern zu lernen, wurde von insgesamt 131 Schülern der Ban Khlong Nam Lai, Ban Chai Mongkol und Bang Tha Ma Khue Schulen besucht. Die Kinder nehmen voller Begeisterung diese Gelegenheit war, außerhalb ihrer Klassenräume auf eine spielerische und kreative Art und Weise über das Leben und die Bedeutung der Wildtiere und ihrer Wälder zu lernen.
Unser Ziel ist, mittels dieser neuen und kreativen Lernstrategien das Interesse der Kinder und ihrer Eltern für Naturschutzarbeit zu wecken, so dass sich die Menschen bewusst für die Erhaltung der natürlichen Ressourcen und der Umwelt einsetzen. Das Tiger Lernzentrum wird auch rege von Lehrern weiterer Schulen besucht, die sich für die Inhalte und auch die besondere Art der Wissensvermittlung interessieren, um sie in ihre eigenen Lehrpläne aufzunehmen.
Schüler im Tiger Lernzentrum (alle Bilder © DNP & WWF Thailand)
Das jährlich stattfindende „Tiger Youth Camp“, bei dem Schülern während eines 3-tägigen Ausflugs in die Wälder die große Bedeutung wildlebender Tiere für intakte Ökosysteme, vermittelt werden, musste in diesem Jahr leider aufgrund der Pandemie ausfallen.
Die Mae Wong und Khlong Lan Nationalparks als Teil des Weltnaturerbes
Als Abschluss des diesjährigen Berichtes möchten wir noch auf eine ganz besondere Entwicklung hinweisen. Das Department of National Parks, Wildlife and Plant Conservation, eine Behörde, die der thailändischen Regierung unterstellt ist und für die Verwaltung der Nationalparks zuständig ist, hat beschlossen, die Mae Wong und Khlong Lan Nationalparks als Teil des Thung Yai - Huai Kha Khaeng Weltnaturerbes bei der UNESCO zu nominieren. Die Nationalparks zeichnen sich durch eine reiche biologische Vielfalt aus und viele Wildtierpopulationen - wie auch die der Tiger - konnten sich durch das kontinuierliche Engagement der Wildhüter und die Unterstützung zahlreicher Menschen wieder erholen, so dass in manchen Fällen sogar ein Anstieg der Populationen zu verzeichnen ist. Die Überwachungsdaten der vergangenen 10 Jahre, die die positive Entwicklung der Tiger und weiterer Wildtiere in den Nationalparks dokumentieren, sind dabei ein wichtiger Bestandteil des Nominierungsprozesses. Diese Nachricht verdeutlicht nochmals das große Potenzial unseres Projektgebietes und welch wichtige Rolle es dabei spielt, den Tigern in Thailand eine Zukunft zu geben.